Freitag, 25. August 2017

Alpencross - auf der Mogelroute

Zum Hintergrund

Eine Alpenüberquerung ist quasi der selbst verabreichte Ritterschlag für den Weitwanderer. Mit meiner Frau und Freunden wollten wir das Wagnis in Angriff nehmen. Dazu gab es einige Vorbedingungen:
  1. der Weg sollte, wegen angeschlagener Gelenke einiger Mitglieder der Wandergruppe, möglichst wenige Höhenmeter überwinden.
  2. Die Entfernung musste in 5 Tagen schaffbar sein.
  3. Es sollten die zwei goldenen Regeln des Camping gelten: 1. lass Dein Zelt zuhause und 2. nimm ein Hotel
  4. Es sollte genussvoll sein.
Nachdem wir gehört hatten, dass die Hauptroute (der sagenumwobene E5) von sehr vielen Wanderern genutzt wird und Hüttenübernachtungen nicht zu Vorbedingung 4 passten, habe ich eine ausgefuchste Nebenroute ausgewählt. Sehr geholfen hat dabei die App der Firma Outdooractive (https://www.outdooractive.com/de/)  - auch beim navigieren im Gelände - vielen Dank!
Gepäck ist bei unseren Wanderungen immer so leicht wie möglich, ohne auf ein Mindestmaß an Komfort und Präsentierbarkeit im 4Sterne Hotel zu verzichten. Mit 1 Liter Wasser und Notproviant wog meine Ausrüstung mit allem, was ich bei und an mir trug 7,5 Kilogramm. Damit lässt sich leicht wandern. Ich werde den Weg dahin an anderer Stelle niederschreiben.

Der Weg

Der Weg führte von Oberstdorf Birgsau zunächst über den Schrofenpass nach Warth (Übernachtung). Von Warth über Lech, Zürs, St. Christoph am Arlberg nach St. Anton (Übernachtung). Von St. Anton entlang dem Fluss Rosanna nach Flirsch und dann hinauf oberhalb von Strengen, nach Grins, Stanz und Landeck (Übernachtung). Von Landeck entlang dem Inn, über Prutz, Ried und Tösens nach Lafairs (Übernachtung. Schließlich von Lafairs weiter am Inn entlang über Pfunds, unter der Kajetansbrücke hindurch zur Hochfinstermünz, Reschenstraße, Nauders zum Reschenpass.

Der Gesamtweg: 4 Länder, 126 Kilometer, 3331 Höhenmeter hinauf, 2829 hinunter an 5 Tagen


Etappe 1: Oberstdorf/ Birgsauer Hof - Warth

17,5 Kilometer
1094 Höhenmeter hinauf,
530 Höhenmeter hinunter
Dauer 6 ½ Stunden


Um 8:58 starten wir am 21. Juli 2017 am Birgsauer Hof und wandern das schöne Rappenalptal entlang. Viele Radler mit E-Bikes überholen uns. Ein großer Teil der Strecke ist auf Teer, mit relativ geringer Steigung. Mittags kühlen wir unsere Füße kurz im Rappentalbach. Dann geht es auf einem Bergpfad, mit schönen Ausblicken zurück Richtung Birgsau, hinauf zum Schrofenpass. Links geht es ziemlich weit hinunter... oben entschließen wir den Umweg über den Gehrner Berg und den südlichsten Punkt Deutschlands zu nehmen. Mit sorgenvollem Blick auf die Wolken wegen Gewitterwarnung steigen wir recht rasch ab. In Gehren trinken wir ein erfrischendes Radler mit Blick auf das nahe Warth und erfahren, dass im Sommer nur 180 Menschen in Warth leben - und so wenige Kinder, dass die örtliche Schule geschlossen ist. Auf dem Lechweg kommen wir recht entspannt im Sporthotel Steffisalp an, wo wir erstmal wieder ein kühles Getränk und die Nachmittagsjause genießen. Nach Sauna und Gewitter, welches wir glücklich von innen erleben, gibt es leckeres Abendessen. Nachts geht wieder ein Gewitter über unserer Unterkunft hernieder.
Kapelle in der Birgsau (die Originalfenster sind in unserem Hotel Prinz-Luitpold-Bad eingebaut)

Alpe im schönen Rappenalpbachtal

Schrofige Seite des Schrofenpasses

Am südlichsten Punkt Deutschlands

Der Biberkopf - majestätisch

Warth
Birgsau nach Warth


Etappe 2: Warth - St. Anton

28 Kilometer
922 Höhenmeter hinauf,
1036 Höhenmeter hinunter
Dauer 9 ½ Stunden


Um 8:15 geht es am 22. Juli von Warth los - zunächst zu einem kleinen Aussichtspunkt über dem Ort, dann hinunter zum Lech. An dessen Ufer wandern wir den erfreulich gut ausgebauten Lechweg flussaufwärts. An einer Stelle rausch der Fluss durch eine enge Felsenschlucht. Wir überholen eine Lechwegwanderin mit riesigem Rucksack und freuen uns über unser leichtes Gepäck. In einem Tobel sind noch meterhohe Schneereste. Um elf Uhr passieren wir Lech. Hier sind einige Wanderer um den Ort herum unterwegs, die wir aber recht schnell wieder hinter uns lassen. Wir planen Mittagessen in Zürs, und kommen passen um viertel nach zwölf an - leider ist Zürs im Sommer noch töter als Warth - kein einziges Lokal hat geöffnet, nicht mal ein Bäcker oder Supermarkt. Wir sind entsetzt. Glücklicherweise haben wir Eiweissriegel für Notfälle dabei und können uns so über Wasser halten. Bis zum nächsten Ort (St. Christoph am Arlberg) sind es allerdings noch 8 Kilometer. Die Strecke über den Flexenpass hoch über der Straße ist aber wunderschön - wir sehen Murmeltiere und sind ansonsten ganz allein unterwegs. Ein Stück, um die Talstation der Flexenbahn herum ist nicht ansprechend. Danach bewegt man sich entlang der Arlbergstraße und bei der Planung befürchtete ich scheußliche Wege, aber es geht an einem murmelnden Bach entlang und man hört von der Straße fast nichts. In St. Christoph ist der Kiosk auf der Passhöhe des Arlbergpasses so etwas wie eine Oase in der Wüste für uns. Dankbar versorgen wir uns mit Getränken und Essen und sind glücklich zwischen der Mischung aus Auto und Fahrradtouristen, die hier alle zusammen kommen. Wanderer sehen wir nicht. Von hier geht es ein Stückchen weiter hinauf zum Maiensee und dann über den Latschenhang (Arlenberg - wir lernen, dass der Arlberg hier seinen Namen her hat) hinunter nach St. Anton. Nach dem steilen Abstieg sind alle Mitwanderer überzeugt, dass es sich mit Stöcken wesentlich besser wandert, als ohne. Glücklich erreichen wir wieder bei bestem Wetter den Waldhof in St. Anton. Das Essen und die Freundlichkeit machen dies zur besten Unterkunft unserer Strecke. Das Gewitter entlädt sich wieder brav nachts und der nächste morgen ist reingewaschen und klar.
Reingewaschen am Morgen - der Weg hinunter zum Lech

Hier war mal Winter

Lech - umrundet

Nach Zürs

Am Flexenpass

Skizirkus im Sommer - ähm - halbschön

Maiensee bei St. Christoph am Arlberg

Waldhof in St. Anton

Warth nach St. Anton


Etappe 3: St. Anton - Landeck

36 Kilometer
491 Höhenmeter hinauf,
1104 Höhenmeter hinunter
Dauer 8 ½ Stunden (App sagte eher 11)


Nachdem am Vortag ein paar Stöcke fehlten, sind wir über den touristischen Standard in St. Anton hoch erfreut: heute ist Sonntag und trotzdem können wir sehr gute Stöcke und sogar ein paar hochwertige Merinosachen (bei Pete Sport) erwerben. Die verlorene Zeit (Aufbruch 9:30 Uhr) machen wir durch eine rasche Gangart wieder wett. Das Wetter ist traumhaft, Gewitter sind aber angekündigt. Der Weg führt zunächst über den Ort St. Jakob, wo wir eine prächtige Prozession sehen dürfen, dann hinunter zum Fluss Rosanna. Der Weg ist unspektakulär bis Flirsch, wo wir sehr gut zu mittag essen. Hier sieht der Himmel bedrohlich aus und es stürmt ein wenig - nach dem Essen wird es aber wieder sonnig und heiss. Ab hier steigen wir auf und laufen über Strengen und dem Tal um den Zintlkopf herum. Hier sind wir auf dem Jakobsweg, was an zahlreichen Kreuzen, Täfelchen und Kapellen deutlich wird. Wir erreichen den Ort Grins um 16:30 Uhr. Bei nochmaliger Planung der Tour würde ich versuchen hier zu nächtigen: der Ort ist wunderschön und hat eine Mineralwasser und eine Trinkwasserquelle. Mir schmecken beide. Bei Familie Leitner, die wir beim Geburtstagskuchen für ein Töchterchen überraschen, kaufen wir leckersten, selbstgemachten Zwetschgenschnaps und plaudern.  Über Stanz wandern wir schließlich den steilen Hang hinunter nach Landeck und beziehen unser Quartier. Die Stadt hat nicht den Charme unserer vorangegangenen Orte.

Blick zurück in Richtung St. Anton

Jakobsweg - angenehm zu gehen

Grins - schönster Ort der Tour

Mit ausgezeichnetem Zwetschgenbrand
St. Anton nach Landeck



Etappe 4: Landeck - Lafairs

27,5 Kilometer
327 Höhenmeter hinauf,
153 Höhenmeter hinunter
Dauer 8 ½ Stunden


Der Tag beginnt mit einer passablen Waldstrecke. Nach ca. zwei Kilometern wechseln wir allerdings an den Straßenrand der Bundesstraße. Die nächsten zwei Kilometer geht es an der stark befahrerenen Straße entlang. Bei einer Wiederholung der Tour würde ich die Route über das Fließer Plateau planen - zwar 300 Höhenmeter mehr, aber sicherlich schöner. Dann fängt es an zu regnen - unsere Ausrüstung leistet aber gute Dienste. Der Weg wird bald wieder schöner und wir wandern am Inn entlang, mit Ausblicken auf die wolkenverhangenen Berge. In Prutz gibt es wieder einen öffentlichen Mineralwasserbrunnen und einen Trinkwasserbrunnen. Meine Begleiter meiden den Mineralwasserbrunnen mit seinem “Säuerling”. Ich finde ihn anregend und interessant.
In Ried im Oberinntal gibt es ein Mittagessen. Am Nachmittag kommt sogar manchmal die Sonne heraus und wir eilen, am tosenden Ort Tösen vorbei zu unserer Unterkunft in Lafairs. Hier treffen wir zwei sehr große Radlergruppen, die auf der Via Claudia ebenfalls die Alpen überqueren. Heute haben wir ungefähr drei Wanderer getroffen, die aus den nahen Ortschaften kleine Touren zu machen schienen.


An der Straße

Keine Straße mehr, dafür Regen

Da sieht man hauptsächlich Wasser in verschiedenen Darbietungsformen

Es tost in Tösens

Blick von Lafairs auf frisch verschneite Berge
Landeck nach Lafairs


Etappe 5: Lafairs - Reschenpass

21,8 Kilometer
804 Höhenmeter hinauf,
302 Höhenmeter hinunter
Dauer 5 Stunden (ca. 7 laut Wegplaner App - man wird immer schneller)


Unsere aufregendste Etappe. Der Tag beginnt mit einer Überraschung: Neuschnee auf den Bergen. Allerdings in Höhen, die wir nicht erreichen werden. Aber sieben Grad rechtfertigen lange Ärmel und lange Hosen. Das Wetter bleibt überwiegend freundlich, mit kurzen Schauern. Vorbei an Pfunds wandern wir bis zur Burg und Brücke “Finstermünz”. Kurz davor können wir über die grüne Grenze in die Schweiz hüpfen, was uns großen Spaß bereitet. Seit 46/47 nach Christus ging hier die Via Claudia Augusta über den Alpenhauptkamm. Die Finstermünz wurde im Jahr 1472 erbaut - wir stellen uns vor, wie man ohne Brücke die nur die reißenden Fluten des Inns überwinden sollte - uns fallen nur recht abenteuerliche Lösungen ein und freuen uns über die Brücke. Von hier geht der Weg recht steil bergauf. An einer Gabelung geht der breite Wanderweg zur Burg “Hochfinstermünz”, da wollen wir aber nicht hin - daher gehen wir den hübschen Waldweg, der in meiner Wegplaner App zum Sperrfort Nauders führt. Oben kommen wir auf der alten Reschenpass-Straße an, die offensichtlich nicht mehr befahren wird. Es liegen sehr viele Steine auf dem Weg. Die Straße führt durch einen unheimlichen Tunnel an dessen Ende ein “Durchgang verboten - für Fahrzeuge und Personen - wegen akuter Steinschlaggefahr” Schild steht. Es versperrt den Weg in der Richtung, aus der wir gerade kommen. Einige Meter weiter steht ein ebensolches Schild in die andere Richtung. Wenn wir den Schildern folgen würden, dürften wir also weder vor noch zurück. Wir entschließen uns, den Weg fortzusetzen. Schwere Stahlnetze sind über den Weg gespannt und hängen voll mit abgestürzten Felsen.
Ich weiß nicht genau, was ich hier empfehlen soll: es gibt ausser an der stark befahrenen Reschenstraße keine wirkliche Alternativroute. Aber eine gesperrte Strecke kann ich auch nicht guten Gewissens empfehlen. Eine Tourenbeschreibung habe ich gefunden, die von Hochfinstermünz den Bus nach Nauders empfiehlt - vielleicht so? Der mündige Bürger entscheide selbst :-)
Vom Fort bei Nauders geht es für uns an alten Panzern vorbei Richtung Nauders. Hier gibt es ein gutes Mittagessen, ehe wir die letzten 5 Kilometer zur italienischen Grenze wandern. Geschafft! 4 Länder, 126 Kilometer, 3331 Höhenmeter hinauf, 2829 hinunter an 5 Tagen. Wir fahren noch mit dem Bus nach Graun, wo wir im Reschensee vor dem berühmten Kirchturm baden. Danach geht es mit Zug und Bus nach Imst, wo unser Auto auf uns wartet. Über das Hahntenjoch geht es schließlich zurück nach Bad Hindelang.

Los geht es Richtung Pfunds

Da liegt es

Kurzer Ausflug in die Schweiz

Finstermünz

Wilde Reschenstraße 
Uiuiui

Das war überraschend - da kommen wir her

Wieder auf legalen Pfaden

Nauders

Reschenpass im Hintergrund

Geschafft: Italien!

Mit dem Bus nach Graun

Lafairs nach Reschenpass



Wir sind sehr zufrieden mit unserer Tour - es war viel schöner als gedacht, da wir eine Tour mit möglichst wenig Steigung gewählt hatten. Die Wege waren häufig vollkommen einsam und mit wunderbaren Ausblicken. Es gab keinerlei schwierige Stellen - am Schrofenpass ist Trittsicherheit und Schwindelfreiheit aber hilfreich. Bis auf besagte Strecke zwischen Landeck und Ried würde ich die Strecke genau so empfehlen, evtl. mit einer oder zwei Übernachtungen mehr.  

Eine alternative Strecke, die mich interessieren würde, wäre von Füssen über Plansee, Lermoos und den Fernpass. Wenns, Pillerhöhe und ab da im Inntal wie gehabt. Die zu überwindende Höhe und Strecke wäre ziemlich exakt die gleiche. Das nächste Mal...

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